Dass unser Spruchband gestern beim Spiel gegen Hoffenheim sicherlich für mediale Aufmerksamkeit sorgen würde, war uns klar und folglich bewusst gewählt. Bei der Wortwahl handelte es sich nicht um unseren üblichen Stil, sondern um einen eindeutigen Bezug zu dem sanktionierten Spruchband der Dortmunder. Was sich aber bereits während des Spiels als unmittelbare Reaktion zugetragen hat, mündete in einer absurden Handlungskette von realitätsferner und undifferenzierter Einordnung bis zu möglichen scheinheiligen Konsequenzen. Die fragwürdigen Ereignisse der letzten Tage – mit der drastischen Kollektivstrafe für die folgenden beiden Partien gegen die Dortmunder Fans in Sinsheim – verdeutlichen weiter vor allem die Ambivalenz des Deutschen Fußball-Bundes.
Die Meinung vieler Fans zur Thematik rund um den von Dietmar Hopp hochgezogenen Verein und seiner Person selbst und daran anknüpfende Kritik, in welcher Form auch immer,dürfte seit Jahren bekannt sein. Abgesehen von wenigen Fanszenen wurde die Kritik in den letzten Jahren ohnehin deutlich reduziert. Zuletzt konzentrierte man sich vielfach mit seinen Protesten auf den Ableger des Red-Bull-Konzerns aus Leipzig. Insbesondere die Fanszene von Borussia Dortmund zeigte jedoch weiterhin bei jedem Aufeinandertreffen, was sie von Herrn Hopp hält. Dies mündete in den letzten Jahren in einem Kleinkrieg zwischen beiden Parteien, der durch die Reaktionen des gekränkten Mäzen weiter befeuert wurde. Für zahlreiche Fanszenen war nun, in Form der ausgesprochenen Kollektivstrafe gegen die gesamte Dortmunder Anhängerschaft, eine Grenze überschritten worden, dessen logische Konsequenz in den vielerorts gezeigten Solidaritätsbekundungen lag.
Unabhängig von den Gründen unserer Abneigung und der derben Wortwahl, welche man nicht teilen muss, sind wir vor allem von den undifferenzierten und völlig überzogenen Reaktionen auf allen Ebenen entsetzt. Dass der DFB sich von einem Mäzen beeinflussen lässt und seine Versprechungen auf Kollektivstrafen zu verzichten bricht, überrascht nur wenig. Dies ist nur noch einmal mehr Ausdruck der verschwindend geringen Wertschätzung selbst getätigter Versprechen von Verbandsseite. Bedeutend erschreckender ist allerdings die Vollendung, der rund zehn Jahre alten Forderung Hopps, Kritik an seiner Person sowie „seinem“ Verein, mit rassistischer Diskriminierung gleichzusetzten und dementsprechend zu ahnden. Dies zieht zum einen die Verharmlosung und Verhöhnung von Opfern tatsächlicher rassistischer Anfeindungen und Gewalttaten nach sich und verdeutlicht zum anderen das eklatante Versagen des Verbands im Nachgang derartiger Vorfälle. Zwischen der Ernennung Integrationsbeauftragter und medienwirksamer Image-Kampagnen demonstriert der DFB zudem viel mehr in regelmäßigem Abstand ein einfältiges Desinteresse an klaren Handlungskonzepten gegen Diskriminierung. Stattdessen haben sich die Bemühungen um Passivität und Verharmlosung auf diesem Gebiet gesellschaftlicher Verantwortung längst durchgesetzt. Die noch sehr präsenten Fälle der rassistischen Äußerungen des Schalker Aufsichtsratsvorsitzenden, Clemens Tönnies und die Diskriminierung des Herthaner Spielers Jordan Torunarigha und die jeweiligen „Konsequenzen“ seien dabei nur bespielhaft genannt.
Eine bloße Beleidigung, aktuell häufiger als „Schmähung“ bezeichnet, in Form von Spruchbändern oder Gesängen mit rassistisch motivierten Taten zu vergleichen, ist schlichtweg schwachsinnig. In fehlender Gradlinigkeit üben sich zudem auch Medien, Verantwortliche und Spieler. Aufgebrachte Kommentare und Appelle zu mehr Toleranz über soziale Medien oder durch Stellungnahmen lassen jegliche Selbstreflexion vermissen. Fehlende klare Bekenntnisse oder aktives Engagement gegen Antisemitismus, Homophobie und Rassismus stehen demgegenüber aber allzu selten auf der Agenda. Statt leerer Worte sollten auch Taten folgen. Eine Absetzung des jährlichen Trainingslagers in einem homophoben und menschenverachtenden Land wie Katar wäre ohne Frage ein Anfang des FC Bayern. Dementsprechend freuen wir uns in Zukunft auf eure regen Anteilnahmen und Statements als Reaktion etwa auf rassistische Worte und Taten und eben nicht nur bei der Beleidigung einer milliardenschweren Einzelperson. Weltoffenheit und Ehrlichkeit kann nicht nur einseitig gefordert, sondern muss auch gelebt werden! Wir können nur hoffen, dass die bedeutenden und wichtigen Fehlstände in unserem Fußball endlich erkannt werden!